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Die Großen trainieren die Kleinen: Innovative Idee zur Verkehrserziehung an der BS16

„Ich hab‘ dich eben nicht gesehen. Wenn ich jetzt abgebogen wäre, hätte ich dich umgefahren“. Das ist Friedas Einsicht, als sie am Steuer eines der größten Ausbildungsfahrzeuge der BS16 sitzt, im Fahrerhaus des MAN TGM. Frieda ist mit der ganzen 4a und Klassenlehrerin Frau El Abrache statt an ihrer Horner Grundschule heute an der BS16 zu Besuch. Ihr LKW fährt nicht und ihre Klassenkameraden, die gerade einen aufgemalten Zebrastreifen im Toten Winkel des LKWs überqueren, sind nicht in Gefahr.

Friedas dramatische Erkenntnis ist jedoch genau das Ziel des Tages: Kindern die Gefahren im Straßenverkehr nahezubringen, buchstäblich er-fahrbar zu machen. Insbesondere das Risiko, von einem LKW beim Abbiegen nicht gesehen zu werden, ist für sie nach wie vor groß, trotz aller technischen Hilfsmittel. Wie wichtig es ist, dass die Kleinen das verstehen, betont auch Frau Beiersdorf, Polizistin vom PK 42 und Verkehrslehrerin der Klasse. Sie ist ebenfalls den ganzen Tag tatkräftig dabei.

Die zündende Idee zu diesem Aktionsstag hatte Elisa Sulej, Lehrerin der BS16 in der Abteilung Berufskraftfahrer (BKF), als ihre Tochter im Verkehrsunterricht den Toten Winkel als Gefahr kennen gelernt hatte. Warum die Kinder zu diesem Thema nicht aus dem Klassenraum direkt an die Lastwagen holen?

Gemeinsam mit den Auszubildenden ihrer Klasse, der B22.2, hat sie diesen Vormittag vorbereitet – und vorher selbst noch mit ihnen die Fahrzeuge gewaschen. Ergebnis sind vier beeindruckend starke Lernstationen auf dem Schulhof der BS16, alle mit Ausbildungsfahrzeugen bestückt. Der kleinste darunter ist ein Fernlenk-LKW mit Anhänger, der auch in Prüfungen eingesetzt wird.

Alle Mitmach-Stationen verdeutlichen Gefahrensituationen, an denen LKWs und Kinder beteiligt sind, vor allem beim Abbiegen oder Rückwärtsfahren.

Immer zwei Kinder werden dabei von einem Azubi betreut, und wenn nötig, beim Einsteigen in die LKWs unterstützt. Die großen Jungs kommen offenbar mindestens so gut an wie die großen Fahrzeuge. Als es am Anfang hieß: „Ihr dürft euch jetzt zu zweit einen Azubi aussuchen, der euch an den Stationen anleitet“, hört man die Freude: „JAAAAAAAAAA!!“ Außerdem hört man während des Vormittags alle 30 Minuten eine LKW-Hupe: Zeit für den Stationenwechsel.

Auf Initiative der Spedition Dachser gibt es in der Fachraumhalle auch noch eine fünfte Station. Anja Obermüller, die Vorsitzende der Lernortkooperation, hat dafür extra von ihr gebaute Lego-Gebäude mitgebracht. Diese kommen auch bei Dachser in der Ausbildung zum Einsatz. Ihr Kollege erklärt daran unter anderem, wie die LKW eingesetzt werden und zwischen den verschiedenen Orten hin- und herfahren, beispielsweise ohne die Kühlkette für Tiefgekühltes zu unterbrechen.

An den Stationen auf dem Schulhof warnen BKF-Team und die Azubis währenddessen immer wieder: „So geht das allen LKW-Fahrern, wenn Kinder auf der Straße sind, der sieht euch nicht.“ Wie schwer ein Kind sich das vorstellen kann, zeigt noch zu Beginn des Tages die Nachfrage einer Schülerin: „Auch nicht, wenn ich winke?“
Am Ende hat die ganze 4a aber sicher einen nachwirkenden Eindruck davon, wie eingeschränkt die Sicht oben hinterm LKW-Steuer ist – und wie sie sich als Kinder in Zukunft noch sicherer auf der Straße bewegen können.

Eindrucksvoll hat der Vormittag zudem gezeigt, was möglich ist, wenn verschiedene Akteure – Schulen, Unternehmen und Polizei – an einem Strang ziehen. Diesen Aktionsstag soll es an der BS16 ab sofort einmal im Jahr geben. Dann dürfen sich die Grundschulkinder auch wieder einen Azubi aussuchen.