Wolfgang Blaube hat in der Oldtimer Markt vom Dezember 2020 in der Rubrik „BESSER WISSEN mit Wolfgang Blaube, Klugscheißen für Fortgeschrittene“ folgenden Artikel veröffentlicht, der zu einem großen Teil auf unserem Schulhof spielt. Wir danken Herrn Blaube, dass wir sein Foto und seinen Text hier veröffentlichen dürfen:
„Die Zweiliter-Alfetta hat einen Nockenwellenmotor“
Die Szene spielt sich im Herbst 1980 ab. Auf dem Pausenhof der Gewerbeschule G9 in Hamburg-Hamm klugscheißern ein paar Lehrlinge des Karosseriebauer-Handwerks über die neuesten Autotrends. „Mein Alter“, tönt einer, der der hier uneindeutig Torsten M. genannt sei, „hat sich gerade´n Alfa geholt. Die mit´m Nockenwellenmotor.“ Schweigen, Achselzucken. „Also nicht die mit Zweitakter oder Wankel“, hakt ein Kenner, der schon damals Wolfgang Blaube heißt, nach. Wieder Schweigen, dann schallendes Gelächter.
Nachdem ich seine Offerte „Auf´s Maul, Blaube, oder was?“ mittels diplomatischen Geschicks abfedere, mache ich Torsten M. unter zustimmenden Nicken weiterer anwesender Nachwuchs-Klugscheißer folgendes klar: Jede Alfetta hat einen Viertaktmotor, und weil beim Viertaktmotor die Ventile grundsätzlich mittels einer oder mehrerer Nockenwellen bedient werden, hat jede Alfetta einen Nockenwellenmotor – wobei es diesen Fachterminus überhaupt nicht gebe. Ein anderer mutmaßt, Torsten M. habe sich bestimmt verhört – worauf der sein Angebot körperlicher Argumentation entsprechend adressiert erneuert: Er habe es selbst schwarz auf weiß gelesen, wisse nur nicht mehr, wo, und übrigens könne „jeder mal eine Runde aufs Maul…“
Am Ende der Pause löst sich die Rotte auf, alle bleiben unversehrt, der Zwist ungeklärt, jeder geht seine Wege. Nur bei einem bleibt diese bemerkenswert irrelevante Geschichte im Weichteilbereich des Großhirns hängen: bei mir. Jahrzehntelang. Bis zum Herbst 2020, als mir eine 40 Jahre alte auto motor und sport in die Hände fällt. In der Heftmitte entdecke ich eine entzückend zeitgeistige Werbung für die Alfetta 2000 L – inklusive Auslobung ihres „Zweiliter-Nockenwellenmotors, der so ziemlich alles Vergleichbare hinter sich läßt.“ Ein simpler Druckfehler, klar. Irgendein nockenwellenunkundiger Schriftsetzer hatte wohl den Zweiliter-Zweinockenwellenmotor mangels Sachkenntnis um eine Zwei gekürzt – und dem offenbar nicht minder technikfremden Lektor war dieser Bockschuss durchs Netz gegangen. Bis er nach längerer Schwebephase durch den Blätterwald schließlich auf dem Pausenhof meiner Berufsschule landete.
Torsten M., dessen Blechschlosserkarriere übrigens aufgrund latenter Gewaltbereitschaft mit dem Rauswurf aus dem Lehrbetrieb endete, ist damit rehabilitiert. Jetzt, da ich meinen späten Frieden in dieser völlig unbedeutenden Sache gefunden habe, würde ich es ihm selbst gern sagen. Schade, dass er unauffindbar ist. Wie längst die herrliche Alfetta 2000 L. Die mit dem Nockenwellenmotor.